Vielleicht noch ein Wort zur Bevölkerung. Wir sind durch das Gebiet der Bai (Dali Region), der Naxi (Yunnan Provinz), der Yi (Provinz Sichuan), der Tibeter und der Mosuo (Lugu Lake) gefahren. Bei den Letztgenannten handelt es sich um eine Bevölkerungsminderheit, die zu den letzten matrilinearen Gesellschaftsstrukturen der Welt zu zählen ist.

Wenngleich ich die Menschen in den diversen Regionen nicht zwingend nach ihrem Äußeren unterscheiden kann, so unterscheiden sich doch die Bauweisen ihrer Gebäude untereinander sehr stark. Insbesondere die Wohnhäuser zwischen den Tälern der tibetanischen Hochebene und an den Ausläufern der Gebirge ins Flachland könnten auch irgendwo in den Alpenvorländern in Südeuropa stehen. Die quadermäßig erbauten Steinhäuser der Hochebenen erinnerten mich zum Teil an Südamerika. Unterscheiden lassen sich die Verhaltensweisen der Einwohner jedoch deutlich. Entweder sind sie freundlich, lachen und kommen auf einen zu und winken (absolut überwiegend) oder aber sie schauen nahezu relativ stumpf vor sich hin mit keinerlei Regung außer vielleicht mit offenem Mund und einem so gezeigten Erstaunen,  dass man den Eindruck gewinnt, sie verstehen nicht was da eben an ihnen vorbeifährt. In den Dörfern um den Lugu Lake sehen wir viele Familien, die relativ reglos im Rinnstein vor dem Haus sitzen. Zugegeben, das ist eine oberflächliche Beobachtung und möglicherweise ist es angebracht, diese Gegend nochmal zu befahren, um Näheres herauszufinden -😊.

Majestätischer Glanz des Lugu Lake am Morgen

Wir starten am frühen Morgen und fahren am See entlang auf einer kurvenreichen Straße, die rechter Hand vom Lugu Lake begleitet wird und die sich langsam Kurve für Kurve auf  4.000 m Höhe emporschraubt.  Die Auffahrt auf den Pass bedarf einer besonderen Erwähnung, denn ich glaube die ganze Strecke mit über 40 km Länge weist nicht eine Gerade auf, die länger als 50 m ist. Es ist fantastisch und unglaublich, wie sich die Straße dem Hang entlang bis zur Passhöhe windet. Das Wetter am See ist schön und warm, allerdings muss man sagen es auch mit jedem Meter nach oben kühler wurde und uns „oben“ Temperaturen von unter 10° erwarteten. Weiter geht’s durch

viele kleine Dörfer und wir sam-meln Eindrücke. Zu beiden Straßenseiten laufen hier Pferde, Schafe sowie Schweine munter durcheinander, um etwas von dem zum Teil spärliche Grün abzukriegen. Man muss nur daran denken, dass alles frei herumläuft, es gibt keine Zäune und wenn es warm ist machen es sich die Viecher auch mal auf dem Asphalt bequem. Man muss halt ein bisschen aufpassen.  

Wir nähern uns wieder dem Yangtze River und einem weiteren Highlight der Tour. Die Gegend um den hier azurblauen Fluss war nicht immer so friedlich. Zum einen lag sie in der Schnittmenge zweier Königreiche und zum anderen trieben Piraten auf und an dem Fluss ihr Unwesen (die haben heute in die Branche der Souvenirläden gewechselt). Um diesen Widrigkeiten zu entgehen, bauten die Menschen ein Dorf hoch auf den Felsen über dem Fluss. Es zu erreichen war damals wie heute nicht einfach. Wir nehmen eine Off-Road Strecke, da es über den Fluss mit den Bikes etwas schwierig sein würde,

das Dorf zu erreichen. Alle kommen heil unten an, ich stelle jedoch fest dass sich eine Schraube in meinem Reifen hineingebissen hat. Aber das sind ja Peanuts für Mr. Jang. 

Hier, am Dorfrand ist Endstation, auch für unsere GS’s, denn ab hier führen Treppen hinab und wieder hinauf, nach rechts, nach links, über einen Platz und quer durchs Dorf. So landschaftlich reizvoll dieses Dorf liegt, so furchtbar muss der Eindruck für einen Logistiker sein. Alle Güter, vom Müllbeutel bis zum Klavier (wobei wir keines gesehen haben) werden von Pferden durch die Treppengassen getragen. Die Baustoffe, Leitungen, Lebensmittel, Getränke, unsere Koffer, einfach alles wird in Hängetaschen von den Tieren getragen oder auf deren Rücken gebunden. Und wenn die Kapazität mal knapp ist, wird auch ein Menschenrücken durchaus beansprucht. Da die Treppen und Durchgänge schmal sind, gibt es Ausweichstellen, da zwei beladene Packpferde nicht aneinander vorbeikommen.

Wir marschieren im Gänsemarsch die Treppen hinunter zum Marktplatz und auf der anderen Seite wieder hinauf. Keine Treppe ist wie die andere, überhaupt es sind Steine, die wild durcheinander zu Treppen geformt und im Laufe der Jahrhunderte durch die Schritte etwas abgewetzt wurden. Wir sind auf zwei kleine Gasthäuser verteilt. Ich erwische ein Eckzimmer, das erkerartig auf zwei Seiten einen atemberaubenden Blick auf den Yangtze freigibt. Dafür funktioniert die Dusche nicht, aber an solch Kleinigkeiten wird dieses Erlebnis nicht gemessen. Das Essen gibt es im anderen Gasthaus und wir werden durch das Treppengewirr hingeführt, wobei ich mir beim Hinweg versuche Wegmarkierungen zu merken, um den Rückweg wieder zu finden. Das Hausschwein, welches mich aus einem Wohnzimmer heraus fröhlich angrunzt ist allerdings in der Nacht während des Rückwegs nicht mehr zur Begrüßung aufgestanden. Am Morgen „schwächelt“ unser Max etwas und so wird auch er aufs Pferd gesetzt und die braven Tiere tragen ihn und all unser Gepäck wieder nach oben. Wer nun übrigens denkt, dass die starken Packpferde von jungen starken bayjuwarisch aussehenden Männern geführt werden, irrt. Alte Mütterchen packen die Tiere, führen sie und tragen selbst.

Es geht (leider) am nächsten Morgen in Richtung Ziel. Eine kurze Fahrt nur nach Lijiang, wobei die durchaus fruchtbare dunkelbraune Erde uns links und rechts der Straße begleitet. Bauern und Bäuerinnen, bewaffnet mit Hacken, Spaten und Rechen ziehen Furchen oder sie sitzen auf den bereits gezogenen rotbraunen Ackerfurchen und setzen in Handarbeit Stückchen für Stückchen die Saat ein. Andere schneiden Gras mit der Sichel. Die Landarbeit scheint noch von viel früheren Jahren verwurzelt zu sein. Der Abstand zur modernen Landwirtschaft der westlichen Hemisphäre kommt mir etwas bedrückend vor. Ich bin total unsicher bei dem Gedanken dass es ein Pendel darstellt. Auf der einen Seite der Umkehrpunkt unserer hochmodernen technisch unterstützten und durchgetakteten dünger- und hormonverseuchten Agrarwirtschaft, der andere Umkehrpunkt markiert durch diese archaisch anmutende Landarbeit. Jedenfalls Bio pur.  Bereits mittags erreichen wir die von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestufte Altstadt von Lijiang. Unendliches Glück, dass der Menschheit diese Altstadt erhalten geblieben ist. Unendliches Unglück, dass so viele davon wissen. Hier ist der Teufel los. Menschenmassen zwängen sich durch die engen und so sehenswerten Gassen. Laden an Laden (bestimmt von den ehemaligen Piraten bewirtschaftet), Verkäuferinnen in Trachten, um das Geschäft anzukurbeln, Bongos werden rhythmisch geschlagen (es war ein langer Weg von Cuba nach Lijiang, aber auch die AfD behauptet ja, sie seien die ehemaligen Bürgerrechtler der DDR) und Karaoke Bars ohne Ende. Macht man sich frei von alledem schweift der Blick über wunderschöne alte Holzhäuser, bunte Ensembles aus Haus, Tor und Innenhof, einer uralten Wasserschöpfanlage (Doppelwasserrad) sowie dem antiken blumengesäumten Kanalnetz, das mit kleinen Brücken durchzogen ist.

Am Abend das große Goodbye Dinner. Tibetmoto, das Team, die Mitarbeiter, alle haben sich so unendlich viel Mühe gegeben und ich glaube im Namen aller Teilnehmer zu sprechen, wenn ich sage, wir danken es ihnen sehr. Aber wenn ein China Restaurant versucht französisch zu kochen, wird’s nix. Es war ein wundervoller Abend, voll Geschichten, Rückblicke, Lachen und ein bisschen Wehmut. Spät, sehr spät (bei einigen noch später) ging es zurück ins Hotel.

Abschied am Morgen mit Freude über das Erlebte

Last ball in game. Zurück nach Dali und wer mit Wehmut am Morgen auf die Bikes stieg wurde schnell durch die kurvenreiche Straße am Rande des Cangshan Gebriges darüber belehrt, dass es noch überall auf der Welt tolle Straßen und Regionen zum Biken gibt. Ein letztes Highlight zum Abschluss. Eine der weiten und guten Straßen mit langgezogenen Kurven aber auch engen Kehren lies nochmals dieses Hochgefühl des Bikens in uns aufkommen und dann, ja dann war Schluss. Der Willkommenszene von Frau und Kind unseres Road Captains Hendrik folgten Abschiedsszenen von Menschen, die eine tolle Reise gemeinsam genießen durften, die bei aller Ungleichheit gut harmonierten, die aufeinander Rücksicht nahmen und sowohl miteinander lachten, als auch übereinander lachten konnten. Jede/r war anders aber alle zusammen waren wir klasse (jetzt übertreibe ich wohl etwas). Bleibt zu sagen, dass wir die tollen Eindrücke dem Land zu verdanken haben, die super Organisation, das Kümmern, das Finden der sehenswerten Klöster, Städte, Pässe dem Team von Tibetmoto unter Hendrik und Tiziana sowie den „locals“ Tashi, Anze und Mr. Jang. Danke euch allen, ihr habt uns eine wunderschöne Zeit auf einer tollen Tour beschert.

P.S. Da war ja noch die Radarfalle. Stunden nach dem Vorfall sprach ich Hendrik darauf an, wie das denn so funktioniert mit Strafzettel in diesem Riesenland und bei den vielen Kontrollstationen. „Wenn du geblitzt wirst“, antwortete er, „bekommt mein Büro nach zwei Minuten eine SMS und die geben es sofort an mich weiter. Aber oft blitzen sie blind, d.h. es ist keine Kamera eingebaut“. Na denn, es war lange Zeit her und keine SMS. Wir hatten wohl erhebliches Glück. Tiziana, danke für die „schnelle“ Begleitung.

Ende von Teil 5, aber es gibt noch einige Schlussbemerkungen.