Off Road Training Hechlingen 2022

Samstag, 16. April 2022, 8:30 Uhr, Eintreffen einer überaus illustren Gruppe, alle in schwerer Motorradkleidung, vor dem Empfangsgebäude des BMW Enduropark Hechlingen.

Vielleicht sollte ich vorab ein kurzes Statement zu meiner Motivation abgeben, was mich veranlasst nach über 40 Jahren Touren fahren ein Off Road Training zu machen. Die Ursprungsidee entstand aus der Überlegung heraus, dass wir (mein lieber Freund Steff samt Ehefrau Rosa) in diesem Jahr von München nach China fahren wollten und wir dabei auch ein Stück eine Passage nicht asphaltierter Himalayastrecken vor uns hatten. Hendrik Heine, Mitbegründer und Tourguide von BMW Partner Tibetmoto, von welchen die Tour veranstaltet werden sollte, machte uns deutlich, dass unsere Gussfelgen der BMW RT 1200 bzw. der BMW K 1600 für diese Strapazen eher ungeeignet sind. Und da wir diesen Veranstalter kennen und Hendrik was seine Streckenkenntnis aber auch sein Technikwissen angeht, absolut vertrauen, wechselten wir bereits 2021 auf jeweils auf eine BMW 1200 GS Adventure, wobei ich wieder einmal mit Rat und Tat des BMW Händlers meines Vertrauens, BMW Stüdemann in Hamburg bestens bedient war. Dann starteten wir damit zu einer Albanien Tour, die ich hier schon beschrieben habe und die auch von unserem grandiosen Scheitern an einem an einem Schottersteilstück einer Passüberquerung berichtete. Grund genug, dachte ich mir, die rudimentären Schotter-Fahrkünste deutlich zu vertiefen. 2016 hatte ich bereits ein Anfängertraining in Hechlingen durchgeführt, mit welchem sehr zufrieden war und so entschied ich mich bei der Vielzahl von entsprechenden Anbietern wieder für BMW. Der Punkt war, dass ich sehr frühzeitig buchte, da diese Trainings sehr schnell und sehr früh immer ausgebucht sind. Zwischenzeitlich ließen die Chinesen uns wissen, dass wir die Tour vergessen können, da (angeblich Coronabedingt) eine Einreise über Tibet nicht erlaubt sei. Nun denn, Training eben ohne Tour.

Willkommensgruß am Eingang zum BMW Enduropark Hechlingen

So, und nun stehe ich mitten in diesem riesigen Gelände etwas verloren herum. Zunächst geht‘s einzelnen zur Anmeldung, man wird registriert, Kleidung und Stiefel werden nochmals einem Test durch die kritischen Augen eines Trainers unterzogen und man erhält ein Papier in die Hand, was zum einen nochmals die Regeln auf dem Gelände verdeutlicht und zum anderen auch darlegt für was der Off Road Park haftet und für was nicht. Das ist ähnlich wie beim Arzt vor einer Operation, wo man schnell noch einen Haftungsausschluss unterschreiben muss der besagt, dass wenn man nach der Operation tot aufwacht alle schuld sein können, nur nicht der Arzt.

„Spielplatz“ für Off Road Fans
Für jeden ist etwas dabei

Trotzdem fühle ich mich sofort gut aufgehoben und habe den Eindruck hier an einem absolut professionellen Coaching teilnehmen zu dürfen. Dann gehts nach außen und ich stehe inmitten der Gruppe bei 14° und der von Bayern 3 avisierte Sonnenschein lässt noch auf sich warten. Es ist bewölkt und nicht zu heiß, was die kurze Wartezeit, bis die Gruppe komplett ist und die Trainer sich vor uns postierte haben angenehm macht. Mein Blick schweift vom Boden eines kleinen Talkessels die Hänge empor, die alle mehr oder minder steil aussehen und zum Teil schon gut mit den Spuren grobstolliger Off-Road-Reifen zerfurcht sind.

Die Trainer und ihre jeweiligen Schwerpunkte werden kurz vorgestellt, wobei ich mich natürlich frage, warum wohl der für Kaffee und Verpflegung zuständige Facility Manager den meisten Applaus bekommt. Dann kann sich jeder Teilnehmer*in zunächst selbst einschätzen und aussuchen in welche Gruppe er/sie sich einordnet. Nach den ersten eineinhalb Stunden gibt es eine Pause und ein Wechsel von der einen in die andere Gruppe ist jederzeit möglich. Ich versuch‘s mal in der mittleren Leistungsgruppe und wir sind sieben, die sich auf diesem Leistungsniveau wohl fühlen und marschieren dann ab zur Motorradhalle, wo in Reih und Glied die präparierten Maschinen auf uns warten.

An jeder Maschine klebt das entsprechende Namensschild, sodass wir zügig mit unserer Gruppe startklar sind und nach kurzer Einweisung durch unseren Trainer Michael gehts ab ins Gelände. Bereits nach wenigen Metern frage ich mich, ob Michael eigentlich bereits auf dem Motorrad geboren wurde. Trotz ungezählter Kilometer von Norwegen bis Israel, von Portugal bis in die Ukraine (alles mit BMW Touring Boxern) war es für mich faszinierend zu beobachten, was man mit einer GS alles anstellen kann.

Zunächst trainierten wir auf einem Übungsplatz ein paar Basics, insbesondere Haltung, was für einen altgedienten Touren Fahrer immer eine kleine Herausforderung darstellt, da im Gelände eben der Körper sich nicht in Richtung Kurvenscheitel lehnt legt, sondern eben in der stehenden Position bei geradem Oberkörper sich entgegengesetzt ausrichtet. Ein paar Kreise fahren, alles easy, dann macht Michael zum ersten Mal ernst und stellt vier Hütchen (müssen natürlich blau-weiß sein) in einem Viereck auf. In dieses Viereck hinein zu fahren und eben nicht den nächsten Hut sondern den übernächsten Hut mit den Augen anzupeilen, um am nächstgelegenen direkten Hut vorbeizukommen. Dann machen wir einen kleinen Ausflug in das Fahrgelände. Zunächst ein paar kleine Pfade durch den Wald, die so schmal sind, dass ich mich immer wieder wundere mit den Zylindern nicht an dem ein oder anderen Baum hängen zu bleiben. Dann ab nach oben und wir verlustieren uns dort in offenem Gelände auf Kleinstpfaden immer unter den kritischen Augen und den hilfreichen Anweisungen von Michael.

Nach der ersten Pause taucht auch die versprochene Sonne auf und es wird warm und wärmer, was Michael veranlasst, uns eine kleine Abkühlung in Form von Wasser Durchfahrten mit anschließender Kehre im Schlamm zu können. Dann ist Mittagspause und wir fahren in die nahegelegene Ortschaft, um dort ein gemeinsames Mittagessen einzunehmen und uns zu stärken, denn am Nachmittag zieht Michael die Zügel etwas straffer an.

Er führt uns zunächst an den Rand eines einer kleinen Senke, wo ein kurzer steiler Berghang sich erhebt. Dort trainieren wir den exakt richtigen Zeitpunkt, um bei einer steilen Passage Gas zu geben und dann möglichst exakt so viel, dass die Maschine nicht auf halber Strecke keine Lust mehr hat. Auch dabei ist die Haltung wichtig, ebenso wie bei der sofort darauf folgenden Bergabfahrt, bei welcher es gilt den ganzen Körper mit dem Gewicht aufs Hinterrad zu bringen. Und schon wartet die nächste Senke auf uns, wobei es gilt das kurze steile Stück zunächst runterzufahren, dann sehr kurz eine 90° Kurve zu fahren und wieder den Berg hoch und oben die letzte 90° Kurven wieder den Berg runter. Hört sich völlig easy an, mag auch easy sein, ich jedenfalls habe sie dort hingeschmissen, was aus zwei Gründen nicht sehr dramatisch ist. Zum einen sind sofort helfende Hände da und zum anderen habe ich nicht gezählt, wie oft innerhalb der Gruppe einer seine Maschine hin geschmissen hat. Kurzer Hinweis an dieser Stelle, das Training findet ohne Rückspiegel statt, deren Verschleiß sonst wohl deutlich zu hoch wäre. Ein hoch interessanter Tag neigt sich dem Ende zu und nach einem gemeinsamen Abendessen falle ich hundemüde in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Tag stehen Bergfahrten bei ausgeschaltetem Antischlupfsystem ebenso auf dem Programm, wie das Beherrschen der Maschine bei Fahrten über Balken und in Rinnen sowie Bremsen im Schotter und zwar mit und ohne Schlupfregelung. Die Sonne meint es gut mit uns und eigentlich sind wir bereits am späten Vormittag schweißnass. Um die entsprechenden Bergfahrten trainieren zu können, erobern wir zunächst den höchsten Punkt des Geländes, von wo aus sich ein fantastischer Ausblick über das Trainingsareal bietet. Dann werden die Wege steiniger, steiler und enger und nachdem die Gruppe diese Herausforderung alle gemeistert hatte jagte uns Michael durch den losen Sand. Auch das ist nicht ganz so ohne, wie ich anhand einiger liegenden Maschinen beobachten konnte.

Last but not least wurde es noch mal sehr grob und sehr steil und unter der sachkundigen Anleitung von Michael ging es mehr oder weniger den blanken Felsen hinab. Kaum unten angekommen standen wir vor diesen steilen Auffahrten, deren zerfurchte Spuren ich oben schon beschrieben hatte und flugs schickte uns Michael hinauf und wieder herunter. Es waren, zumindest für mich, schon etliche Passagen dabei, die ich so in „freier Wildbahn“ nicht gefahren hätte.

Jedoch fand ich die Anleitung von Michael und auch sein jeweiliges Zeigen durch Vorfahren so positiv, dass ich keinerlei Bedenken hatte, ihm zu folgen und mich die ganze Zeit wohl fühlte. Natürlich waren wir zur Hälfte des zweiten Tages mit Adrenalin vollgepumpt bis unter die Haarwurzeln und insofern fand ich es als überaus wohltuend und positiv, zum Abschluss eine einstündige Off Road Tour außerhalb des Geländes durch die Wälder, Wiesen und Felder der Umgebung von Hechlingen zu fahren.

Alles in allem empfand ich dieses Training als hilfreich, lehrreich, sehr professionell und auch geprägt vom Umgang miteinander und der tollen Führung der Trainer als sehr positiv. Und ich nehme für mich persönlich eines auch noch mit. Zwar habe ich keine Bedenken vor Schotter, Off Road oder steilen Schotterkehren und trotzdem wurde in mir nicht dieser Enthusiasmus für Off Road geweckt, den ich bei einigen Teilnehmern ausgemacht habe. Einziger Wermutstropfen der Blick auf meine Stiefel und die Gewissheit diese aufwendig säubern zu müssen. Danke an die gesamte Mannschaft des BMW Enduro Park Hechlingen.