Alles, was es über meine Touren zu sagen gibt

Südchina – Tibet Teil 1 (Frühjahr 2019)

Startklar

Ich bekam diese Bilder einfach nicht mehr aus dem Kopf. Gesehen habe ich sie bei einem Off-Road Training bei BMW in Hechlingen und dort traf ich Bernd, der mir diese irren Aufnahmen seiner Fahrt von München nach China gezeigt hatte, die er ebenfalls mit Tibetmoto unternommen hatte. Den Mount Everest im Rückspiegel – geht’s noch?

Und nun steht dieser riesengroße weiße Flieger, ein schöner, erhebender Anblick, vor mir. Ich kann durch die großen Scheiben des Pariser Flughafens sehen, dass er auch nicht irgendwie ramponiert wirkt, alle Flüge sind vorhanden, die Leitwerke ebenso, sozusagen alles gut. Trotz alledem die Anzeigetafel über dem Check-In zeigt an, dass der Flieger noch mindestens drei Stunden nach der vorgesehenen Abflugzeit mutterseelenalleine am Finger steht und keiner von uns ihn in den nächsten vier Stunden betreten wird. Da fragt man sich schon, was mag da wohl los sein? Müssen sich Pilot und Co-Pilot nach einem Besuch im Moulin Rouge erst noch erholen? Oder doch Technik?  Vielleicht ist es dann doch besser wenn sie je noch einen Flügel anschrauben oder noch ein Leitwerk zusammenlöten müssen, dass es hier am Boden geschieht, anstatt irgendwo oben in der Luft. Sei‘s wie‘s will. Ein kurzer Check der Verbindung macht deutlich, dass ich den Anschlussflug von Peking nach Dali in der Provinz Yunnan nicht erreichen werde und da es nur einen Flieger am Tag  von Peking in diese südwestliche Provinzstadt gibt, werde ich wohl eine Nacht in Peking bleiben dürfen – wie schön.

Bei der Ankunft in Peking war ich zunächst total erschlagen von diesen unglaublichen Menschenmassen die sich frühmorgens durch diesen Flughafen quälen.

An diesem Knotenpunkt war salopp ausgedrückt, der Bär los. Doch Hilfe naht, eine junge Chinesin in erkennbarer „Helfer-Uniform“ frage ich nach dem „Transfer-Desk“. Sie erklärt mir, dass dieser im Transit Bereich sei. Prima, jedoch besteht da ein Widerspruch zur Aussage des Flupersonals, dass er „vor dem Zoll“ sei. Bevor ich aber zu lange nachdenke, werde ich durch eine bitterlich weinende Frau aufgeschreckt, die sich plötzlich unmittelbar vor mir befand und aus deren Augen Panik pur sprach. Sie fing zu schreien an, das jedoch Gott sei Dank auf Deutsch. Sie suchte den Weg zum internationalen Abflug, vor dem sie eigentlich schon stand, ihn jedoch aufgrund der unübersehbaren Menschenmenge nicht erkennen konnte. Der Frau konnte geholfen werden. Und eineinhalb Stunden nach Ankunft hatte ich die Zollkontrollen und die Passkontrolle passiert (der Transfer-Desk liegt übrigens in der Halle nach dem Zoll) und wurde von netten Menschen an einem Transferschalter in einen Kleinbus verfrachtet und in ein nahe gelegenes Hotel gebracht. Die Reise begann also etwas anders als ursprünglich gedacht, denn eigentlich wollte ich um diese Zeit schon im schönen und frühlingshaften Dali sein und die historische Altstadt erkunden. Pustekuchen und so genoss ich halt den Ausblick auf eine Baustelle und begann damit, alles Wissenswerte über die Tour ins chinesische tibetische Grenzgebiet im Internet zu suchen (was über eine eigens vorher erworbene VPN Lizenz problemlos möglich war). Eine Tour, auf die ich mich ein Jahr lang gefreut habe, auf die ich mich versuchte, vorzubereiten und vor allem die mich inspirierte, nachdem ich diese herrlichen Bilder eines Motorradfahrers gesehen habe , der vor einem Jahr von München aus quer durch Europa und Asien nach China gefahren ist. Positiv denken und Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Tatsächlich waren die beiden ebenfalls gestrandeten Skandinavier, die ich beim Abendessen im Hotel traf  rasend nett und wir hatten ein paar Bier zusammen. Am nächsten Morgen 3.00 Uhr aufstehen zurück zum Flughafen, um wieder in einer dieser gigantisch langen Schlangen einen Platz zu suchen, wobei nur eine Eselsgeduld hilft, um das mental zu bewältigen.

Flughafen Dali. Viele Asiaten und ein paar Langnasen mit und ohne BMW Motorradjacken verlassen den Flieger. Der Flughafen ist sehr überschaubar und nach kurzer Wartezeit erhalten wir das Gepäck (das ging ziemlich schnell, die machen es nämlich von Hand). Erste gegenseitige Vorstellung und Erkundung, wer welche Sprache spricht vor dem Flughafen. Dann kommt auch schon Hendrik, der Chef von Tibetmoto samt Tashi, seinem Assistenten und wir laden das Gepäck ein und ab geht’s entlang des Erhai-Sees in die Altstadt von Dali. Das Hotel ist in einem alten Haus untergebracht und man  muss sagen, das ist äußerst gelungen.  Es ist Mittagszeit und wir haben über 30 Grad, und doch bin ich so neugierig, dass ich nach einer ausgedehnten Dusche und dem dringend notwendigen Kleiderwechsel einen Spaziergang durch Dali mache, um erste Eindrücke einer chinesischen Provinzstadt in mir aufzusaugen. Na ja, es scheint sich um das chinesische Pendent zu Rüdesheim am Rhein zu handeln. Tausende von chinesischen Touristen strömen durch die historische Altstadt.

Souvenirläden aller Couleur reihen sich Tür an Tür entlang der „Hauptstraße“  und es herrscht ein munteres Treiben. Die Nebenstraßen sind stiller, nicht so hektisch, hier sitzen Straßenhändler an den kleinen Kanälen, die sich entlang der Straßen ziehen und wohl als Abwasserkanal gedacht waren. Erste Versuche der chinesischen Küche enden bei einem „asiatischen Hamburger“.

Am Abend dann der große Auftrieb, alle Teilnehmer waren jetzt in Dali eingetroffen und man traf sich zum Kennenlernen und Abendessen. Meine Feuertaufe sozusagen. Da ich kein Mensch bin, der Gruppenreisen oder dergleichen bevorzugt,  und ich diese lauten Touristengruppen aller Herren Länder möglichst umgehe, war ich gespannt, was mich erwartet. Ein wilder Haufen aus Chile, Spanien, Holland, Thailand, Schweiz, Deutschland, vier hatten ihre Ehefrauen als Sozia mit, dabei zusätzlich Danny auch Ehefrau aber selbst fahrend. Was soll ich sagen, alle rasend nett, witzig, erzählend, humorvoll, austeilen aber auch einstecken können, ein buntes Sprach-gewirr mit gegenseitigem Aufziehen. Individualisten, die sich doch dem gemeinsamen Ziel unterordnen, die nächsten 3.000 km gemeinsam durch Südwestchina und Tibet zu fahren.  Und gleich zu Beginn zeigte sich eine der organisatorischen Stärken unserer Tibetmoto Crew. In Dali lebend bzw. selbst Tibetaner wussten sie um den Umstand, dass in chinesischen Lokalen Rotwein eher nicht angesagt ist. Aber Tashi hatte einen Karton dabei (wie auch jeden weiteren Abend) und der Abend deutet auf eine gelingende Reise hin.

Beschnupper-Abend einer tollen gemeinsamen Zeit

Am nächsten Morgen erlebten wir eine gemeinsame Führung durch die historische Stadt, die an einem lokalen Markt endete. Jeder ging seinen Vorlieben nach. Steff eroberte den Stand mit den gekochten Hühnerfüßen, ich wurde von Hendrik an einen Stand geführt, der an ein Kistenlager in einer halben Garage erinnerte, in welcher ein Gaskocher abgestellt war. Aber – wow – die Teigtaschen mit Rindfleisch waren ein ungeheurer Genuss, kross und mit schmackhafter Füllung, echt stark. Bezahlen? Am Rahmen des Garagentors klebte ein Zettel, etwas verschlissen schon, aber der Barcode war klar und deutlich zu erkennen und Hendrik hielt sein Handy dagegen und das war’s dann. Möglicherweise sind wir ja das Land der Dichter und Denker aber möglicherweise werden uns zukünftige Generationen auch noch ein Schild mit der Aufschrift „Technik- Verhinderer“ umhängen.

Schon bei der Übergabe der Motorräder befiel mich ein unheimlich gutes Gefühl in Bezug auf unseren Guide Hendrik und sein Team. Die Jungs von Tibetmoto waren top, ruhig, erfahren, jeder Handgriff saß und sie wussten alle wovon sie redeten. Es folgten erste Eingewöhnungsrunden in der Tiefgarage und schnell wurde deutlich, es gab Teilnehmer, denen der Dreh am Gasgriff sozusagen ritualisierend angeboren zu sein schien, andere waren ruhiger, wenngleich ebenso neugierig und gespannt und dann ging es nach etlichen Ermahnungen (nicht zu Unrecht) unseres Roadcaptains endlich los.

Kurze Eingewöhnung an die Hierarchie der chinesischen Verkehrsteilnehmer mag an dieser Stelle für späteres Verständnis hilfreich sein. Ganz oben stehen die großen Trucks, Tieflader, Auflieger oder LKW mit Hänger, dann kommen die etwas kleineren Trucks, dann die Lieferwägen, dann eine ganze Weile gar nichts. Es folgen die (westlichen) SUV’s, von denen es hier reichlich viele gibt, dann die Limousinen gefolgt von den normalen PKW’s. Jetzt sind wir mit den Motorrädern an der Reihe, aber wir sind nicht das letzten Glied, denn uns folgen die Roller, dann die Räder (wenig auf dem Land) und ganz am Schluss die Fußgänger, die allgemein nur als störend betrachtet werden. Insofern sind die Verkehrsregeln auch einfach, kein Truck, bremst, weicht aus oder überholt nicht, wegen eines Motorrads. Die Voraussetzung zur Erlangung eines chinesischen Führerscheins ist, das Wort „Rücksicht“ aus dem eigenen Wortschatz zu streichen, bei Konfuzius zu schwören, nicht danach zu handeln und zu versichern, den Begriff nie gekannt zu haben. Na denn, los geht’s.

Kurzer Fotostopp an den drei Pagoden (zerstört von den Kulturrevolutionären, in Beton, sozusagen als Disneyland für Touristen, wieder aufgebaut), dann ein kurzes Stück am See entlang und erste Bewunderung der total auf Handarbeit aufgebauten Landwirtschaft und sehnsüchtiger Blick zum Cangshan-Gebirge, mit seinen über 4.000 m hohen Gipfeln. Riesenstau in einem Dorf, da gerade die Schule aus ist und wenn zwei Schulbusse parken, gibt es kein Entkommen, was Zeit bietet, um die nahezu schon vollständig elektrifizierten Fuhrpark zu bewundern.

Dann tauchen wir ein in die bergwärts führende kurvenreiche Straße und testen die ersten Eigenschaften und das Kurvenverhalten unserer BMW’s. Am Mittag erreichen wir Shaxi, eine uralte Stadt, die an der alten Teehandelsstraße liegt. Die Stadt hatte insofern Glück, als dass vor dem oftmals geschehenen Abriss der Altstadt, Langnasen, die an dem Erhalt interessiert waren, mit der Gemeindeverwaltung einen Deal gemacht haben. Erhalt gegen Cash, um es einfach auf den Punkt zu bringen. Ein Hotel mit absolut liebevoll hergerichtetem Innenhof und hoher Mauer nach außen. Das hilft alles nichts, wenn man den Koffer zwei Stockwerke hochtragen muss, denn in  3.500m Höhe keucht man da ganz ordentlich. Wunderlich überhaupt, dass wir in dieser Höhe noch eine Natur erleben, wie sie bei uns ungefähr 2.000m tiefer aussieht.  Möglichweise liegt es an der subtropischen Klimazone, an deren nördlicher Ausbreitung wir uns bewegen.

Ende Teil I – aber wir sind erst am Anfang

Die Straße auf der anderen Flussseite ist unsere !

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  1. Dani Weiß

    Lieber Klaus,
    wir könnten es nicht besser in Worte packen. Du sprichst uns aus dem Herzen und aus der Seele. Deine Schlussbemerkungen sind mehr als treffend. Es war eine wundervolle Reise, perfekt organisiert mit unsagbar tollen und interessanten Menschen, die uns sehr ans Herz gewachsen sind. Wenn wir an diese Reise zurückdenken, möchten wir am liebsten sofort wieder los. Wir freuen uns sehr auf hoffentlich noch weitere Reisen mit den neu gewonnenen Freunden.
    Danke Dir für diesen tollen Reiseblog!
    Viel Gesundheit und ohne Ende Spaß,
    Dani + Peter

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