Alles, was es über meine Touren zu sagen gibt

Apennin 2021

Also, um der Wahrheit die Ehre zu geben, war das alles so nicht geplant, sondern wir hatten ein supertolle Norwegen Tour ausgearbeitet, aber der Coronatroll hat uns nicht ins Land gelassen. Dies bedeutete umplanen und dies bescherte uns einer der bemerkenswerten und schönen Touren durch das Apennin Gebirge in Italien.

Vorab ein kurzer Hinweis: Die Fotos sind zum größten Teil von Rosa aber auch von Peter und die beiden sind einverstanden mit der Veröffentlichung.
Ich glaube eins ist auch von mir. Viel Spaß.

Tag 1 Apennin Tour 2021

Die Gesamtstrecke begann in Stuttgart, was für den einzelnen Betrachter eher uninteressant ist. Der untenstehende Kartenausschnitt zeigt den Abschnitt Timmelsjoch, Jaufen und Penzer Joch.

450km und 5,5 Stunden Fahrzeit.

08.00 Uhr morgens und für mich Abfahrt bei Aschau im Chiemgau. Ein paar Kurven zum Einschwingen bergauf und dann geht’s bei wunderbarem Sonnenschein Richtung Kufstein durch ein herrliches Tal. Auf der halben Berghöhe hängen noch die Nebelschwaden der Nacht und die Bergspitzen leuchten bereits in der Sonne: Kurz vor Kufstein dann ein bemerkenswertes Kurvenpotpourri hinunter ins Tal. Dann 45 Minuten Autobahn in Richtung Imst und Abfahrt zum Hahntenjoch. In Imst herrscht auf vielen Straßen eine 30 km/h Beschränkung, die auch ziemlich strikt überwacht wird. Ein paar Kehren später (bitte, bitte, durch Kehren kann man auch im Ort fahren, da muss man nicht schieben) wird es munter bei 19% Steigung in Richtung Passhöhe. Es ist Samstagmorgen und die Radler und Motorradkollegen*innen schlafen wohl noch, denn die kurvenreiche, teilweise enge Straße habe ich ziemlich für mich alleine. Ein Hochgenuss. Richtung Lechtal gibt sich die Straße etwas lieblicher, die Landschaft wird weiter und am Ende biege ich

Die Truppe
Die Truppe

in dieBundesstraße Richtung Stanzach ein, wo ich meine Freunde (Rosa und Steff mit Mütze, Frieder rechts, Andreas links und Peter, hinten Mitte) treffe. Wir schwingen uns auf die Maschinen und ab geht’s auf unsere Tour quer durch den Apennin bis ca. Höhe Rom.

Also wieder auf die Bundesstraße, der Radarpistolenbewaffneten Polizisten Tribut zollend, biegen wir scharf links ab, um das Hahntenjoch, für mich ein zweites Mal, zu queren. Jetzt ist es allerdings schon später Vormittag und es sind deutlich mehr Motorräder unterwegs und auch solche, die eher Probleme mit den Kehren vor dem eigentlichen Beginn der Passstraße haben. Auf dem Passscheitel bereits leichtes Gedränge, also nichts wie weg. Von Imst aus folgen wir der Ötztalstraße (B186) nach Hochgurgl und düsen weiter zum Timmelsjoch. Kehren in der Ortschaft, wo man ein wenig achtgeben sollte und ab geht’s in dieses wunderbare Hochtal, das zum zügigen Fahren einlädt. Die Maut ist diese Straße allemal wert. Kurvenreich steigt die Straßen bis auf 2.500 m an und erlaubt traumhafte Ausblicke, wobei die Wiesenlandschaft später in eher karges Gelände wechselt. Satte 44 Kehren bringen uns hinauf und auf die italienische Seite wieder hinunter. Gute Straße, schnell zu fahren und mit mächtig viel Spaß versehen. Im Passeier Tal halten wir uns nicht wirklich lange auf, sondern fahren nach St. Leonhardt im Passeier und weiter direkt in Richtung Jaufenpaß. Klar, dass wir die Bundesstraße Richtung Sterzing vermeiden, sondern die für uns weitaus schönere Alternative nehmen. Im Gegensatz zum Hahntenjoch schon eine Autobahn, schwingt sich die Straße in weiten Bögen und Serpentinen hinauf und eindringlicher Wiesengeruch breitet sich in meinem Jethelm aus. 23 Kehren freuen sich, das wir sie in Richtung Sterzing durch Almen und Wälder durchfahren. Dann am Rande von Sterzing ein Rechtsschwenk auf die SS508, um das Penzer Joch zu erobern. Eher gemächlich von der Straßenführung her, aber richtig schnell führt die Straße durch dichte Wälder bis fast zur Passhöhe, die auf 2.200m liegt. Danach Genuss pur, lange schnelle Kurven führen in das atemberaubend schöne Sarntal hinab und lassen uns den letzten Teil der Tagesetappe richtig genießen. In Weißenbach logieren wir im Hotel Alpenrose und lernen die unkomplizierte und offene Gastfreundschaft kennen, die uns die Wirtsfamilie entgegenbringt. Ein überaus schmackhaftes und deftiges Essen (hätte ich einen Funken Verstand, hätte ich nach der Pasta mit Essen aufgehört) und ein paar Bier bringen alle Lebensgeister zurück und wir starren fasziniert auf ein Wahnsinns Gewitter, das sich direkt über dem Tal mit Starkregen, Hagel und Sturm entleert. Meine Original BMW Alukoffer an der GS hätten am nächsten Morgen manchem Goldfisch Heimat geboten und dies bei absolutem Stillstand der Maschine. Darüber sprechen wir noch!

Anfahrt Hanhtenjoch

Bild 1 von 4

Tag 2 Apennin Tour 2021.

Den interessanten Teil der Strecke seht ihr rechts, Autostrada zwischen Mezzolombardo und Parma erspare ich euch. Empfehlensswert, die SP99 und die Abfahrt ins Etschtal. Insgesamt von Weissenbach nach Parma 400 km, 5 Stunden 45 Minuten Fahrzeit

Der klare, wie frisch gewaschen aussehende Himmel und die Sonne vertreiben meine Verwunderung schnell. Rauf aufs Bike und schwingend lassen wir die Maschinen Richtung Bozen laufen. Am Ortseingang Abzweigung nach rechts auf die SP99 und es beginnt eine steile Achterbahnfahrt. Tunnel und Brücke lassen uns einen 360 Grad Kreisel auf einer schmalen steilen Straße meistern, mit tollen Ausblicken nach Bozen hinunter, was man allerding nicht zu lange tun sollte, sonst liegt man auf der Nase. In Flaas selber, dürfen wir nochmals Steilfahren verbunden mit innerorts Kehren üben, was dann etwas lästig ist, wenn vor einem ein Touri fährt und etwas sucht und immer wieder anhält. Aber, alles gut, wir haben uns an das schmale Sträßchen gewöhnt und fahren nach Mölten, biegen dort wieder auf eine Hauptstraße ab (SP98) und etliche Kehren führen uns wieder in Etschtal zurück. Kurzer Fotostop in Terlan (angeblich nur ein Erinnerungsfoto für eine Bekannte, aber der Gute will mit der Geschichte nicht rausrücken, was die Angelegenheit deutlich verdächtigt macht).

Wunderschönes Sarntal empfängt uns am Morgen

Bild 1 von 4

Jetzt könnte ich ein paar Sätze über das Totalversagen der Navisysteme in Bozen schreiben, die offensichtlich mit der Enge und den zum Teil übereinander gebauten Straßen absolut nicht klarkommen, aber lassen wir das, hilft ja nichts und im Großen und Ganzen leisten sie gute Dienste. Jedenfalls finden wir nach einigen Irrfahrten auf die SP11 Richtung

Gampenpass, biegen in eine tolle kleine Straße mit etlichen engen 180 Grad Kehren ein, genießen den Anblick des unter uns immer kleiner werdenden Tals und stoppen vor dem Sackgassenschild oben auf dem Berg dann ab.

Das war’s – Dead End Road
Ganz oben: - Sackgasse, Wenden
Ganz oben: – Sackgasse, Wenden

Das war’s, Wenden ist angesagt! Und nach einem kurzen, jedoch durchaus heftigen Wortwechsel zwischen Fahrer und Sozia kehren wir um und genießen die Strecke auf der Runterfahrt ein weiteres Mal. Im Dorf richtig abgebogen und einen kurzer Erfrischungsstopp in einem Restaurant später,

Also wieder runter

jagen wir die Maschinen den Gampenpass hoch. Es sind nur ein paar Kehren, keine echte fahrerische Herausforderung aber schnell und Fahrspaß pur. Nach der Passhöhe führt die Straße eher gemächlich nach Fondo. Wir gönnen uns noch die Überfahrt über den Passo Predaia

und dann kommt der weniger angenehme Teil des Tages, denn wenn man bis auf die Höhe von Rom will,muss man irgendwann auch mal Strecke machen. Also rauf auf die Autostrada, Gardasee bleibt rechts liegen, Verona links und Stoff bis Parma. Um es vorsichtig auszudrücken, es war nicht kalt. Nach satten 34 Grad auf der Autostrada und der „wohltuenden Wärme“ der Boxerzylinder ein Sprung in den Pool, zwei Bier und der Abend erwartet uns. Entspannt schlendern wir durch den historischen Kern von Parma, lassen uns von einem Wirt, der sein Restaurant gerade schließt, erklären wo wir gut essen können und sind ihm dankbar für seinen tollen Tipp. Müde, aber entspannt gehe ich schlafen und träume von Kehrenlandschaften.

Parma Kathedrale

Bild 1 von 6

Tag 3 Apennin Tour 2021

Von Parma nach Tolè. Wir tauchen ein in den Apennin und queren einen Fluss ohne Brücke. 310 km Fahrzeit 6 Stunden, was darauf hindeutet, dass es enger und bergiger wird.

Augen auf und raus aus den Federn. Rasieren, Duschen und ein kurzer Gedanke an die Kleidung. Der Wetterbericht spricht von satten 30 Grad und die Strecke durch die Berge verspricht Höchstgenuss, was den Gedanken äußerst kurz werden lässt. Eigentlich fahre ich immer gleich: Spezielle Jeans, diese in den Stiefeln, BMW Textiljacke, darunter ein T-Shirt.  Kommt es nass von oben ziehe ich das Inlet der Textiljacke oben drüber und schlüpfe in eine Radlerregenhose (die haben Reißverschlüsse bis hoch zur Hüfte, ich muss also nichts ausziehen, sondern nur drüberziehen). Ab 5 Grad und darunter sattle ich dann um, auf BMW Streetguard mit Latz.

Frühstück und ab geht’s. Wir steuern eine Tankstelle an, fahren abschließend 20 km Landstraße (SP62) bis Fornovo und biegen dann links ab ins Herz des Apennin (auf der SP62 bleiben!). Schnell wird klar, der heutige Tag verlangt uns die Fähigkeit ab, mehr schräg als gerade zu fahren. Breit und in gemächlichen Kurven zieht sich das Straßenband hügelan. Links und rechts Landwirtschaft, durchsetzt von mehr und mehr zunehmenden Waldflächen steuern wir den Monte Cassio an. Wir queren ein Naturschutzgebiet und saugen den süßen Duft des knallgelben Stechginsters ein, der die Straße säumt.

Süßer Duft des Stechginsters füllt den Helm
Wunderbare Zypressenalleen nehmen uns auf.

Man darf im Apennin nicht jedes Mal wenn man „Passo“ liest an kehrenangereichertes Gekraxel denken, sondern es handelt sich oft auch um Bergsättel, die einem erlauben in einer schönen und kurvenreichen Landschaft zu cruisen. Weiter geht’s höchst kurvenreich über den Passo della Cisa nach Montelungo. Dahinter erwartet uns nochmals eine kurventechnische Steigerung, die sich bis Pontremoli erstreckt und das Fahren auf gutem Belag zum Hochgenuss macht.   Bei Berceto, verlassen wir die bereits lieb gewonnene SS62 und biegen rechts auf die auf die SP74 ab, um in den Nationalpark „ApenninoTosco-Emiliano einzutauchen und über Passo del Sillara di Marra nach Bosco und weiter über SP40 nach Corniglio zu düsen. Die Herabstufung in der Straßenkategorie macht sich auch beim Straßenbelag deutlich bemerkbar. Meine GS hat mehr Spaß, als die K1600 der Freunde, aber die Streckenführung als solche und die ruhigen, kaum befahrenen Nebenstraßen erzeugen Fahrfreude pur. Das Licht- und Schattenspiel, wenn man die Grenze zwischen Feld und Wald überquert, oder bei größeren Lichtungen, zwingt uns zum konzentrierten Fahren, aber es geht flott voran und bereits steht der nächste „Pass“ an. Der Weg führt uns über den Passo del Ticchiano nach Monchio dell Corti und von dort über Palanzano nach Ramiseto. Die Temperaturen liegen zwischenzeitlich über 30 Grad und wir spüren immense Fahrfreude, vor allem auf diesen kurvenreichen Strecken, die nur durch kurze Gerade miteinander verbunden sind. Einen haben wir noch vor der Mittagspause, und zwar „Vallico di Sparavalle“, ein kleiner Bergsattel, der vor Castelnovo Ne’Monti liegt. Nach dem Ort rechts ab auf die SS18, die uns mit einem wahren Kurvenfeuerwerk und etlichen Kehren über Ospitaletto auf den Passo di Pradarena führt, wo wir im Carpe Diem (welch bezeichnender Name!) eine wohlverdiente Pause machen. Frisch gestärkt biegen wir auf die SP12, immer bedacht, die Hauptverkehrswege zu vermeiden und eher „alleine“ durch die tolle Apennin Landschaft nach Silano zu schwingen. Wir tauchen ein in die Buchen- und Kastanienwälder des Nationalparks Orecchiella und wechseln auf die SS48 in Richtung Corfino. Ein Hochgenuss ist die Strecke zwischen Corfino und Castelnuovo di Garfagnana. Ach was, die ganze Strecke bis hierher ist einsame Spitze mit ihrem Mix aus schnellen weiten Bögen, engen Kurven und extremen Kehren und alles auf im Durchschnitt gutem Belag. Manchmal schmiert die Maschine so ein kleines Stückchen weg, wenn man auf eine dieser schwarzen Teerstellen gerät, wo mal wieder der Asphalt ausgebessert wurde. Der Tag ist jedoch noch nicht zu Ende. Links ab auf die SP72 und in Richtung Passo delle Radici und weiter zum Passo die Lagadello geht die Fahrt und wir genießen den Anstieg der uns zum vermeintlichen Höhepunkt des Tages führen sollte. Achtung, in Pievelago darf man die Abzweigung nach links auf die SS12 nicht verpassen, die wir bis kurz vor Pavullo nel Frignano nutzen., Dann rechts auf die SP27 / SP26, die uns in 20 Kehren nach Zocca tragen sollten.

Die ersten 12 runter ins Tal des Panano waren schon mal super. Doch dann war die Brücke über den Fluss und damit der Anstieg auf der anderen Talseite gesperrt. Während das Navi noch nachdachte, bogen wir auf die Hauptstraße ein und sahen links abbiegend ein kitzekleines Schildchen Zocca, das eher auf einen Trampelpfad hinzudeuten schien.

Außerdem waren wir viel zu schnell und schon vorbei. Also rumdrehen und zurück zu dieser ominösen Abzweigung, wo just in diesem Moment ein Wagen rauskam, dessen Insassen uns versicherten, dass dies doch der richtige Weg sei. Nun denn, so kamen wir in den Genuss den Panano auf einer Geröllhalde zu überqueren und anschließend die restlichen Kehren im Schotter zu nehmen. Die GS jubelte, die K1600 Fahrer ko….!

Ziemlich ermattet kommen wir in Tolè im Hotel Falco D’Oro an. Schnell duschen und das erste „happy landing Bier“. Anschließend ein absolut super leckeres Abendessen im Hotelrestaurant mit traditionellen und lokalen Gerichten. Fazit außerhalb des Fahrtags: Super Restaurant, sehr gut zu essen! Personal spitze. Sehr ruhig. Preis und Leistung stimmen! Fazit des Fahrtags: Kategorie 1a.

Tag 4 Apennin Tour 2021. Von Tolé nach Arezzo. Wieder so ein Tag zum Kurven feiern. Der durch die „Mille Miglia“ legendären Passo della Raticosa wartet auf uns ebenso, wie eine steile Schotterpartie. 300km und 6 Stunden Fahrzeit.

Was für ein Morgen. Frühstück im Garten, angenehme Wärme, duftender Kaffee und aufgeregtes Gekreische, als ich mir ein noch in der Schale befindliches Ei für mich selbst mit der Hand nehmen wollte. Sofort sprang die hilfreiche Bedienung mit der Zange heran und gab es auf meinen Teller. Na, da konnte ich sicher sein, zumindest heute keine Bekanntschaft mit dem Corono Frühstücksvirus gemacht zu haben. Volltanken und bereits am Ortsausgang begrüßen uns die ersten flotten Kurven des Tages. Die SP26 schwingt sich den Berg empor und gewährt einfach super Ausblicke über die Täler des Apennin. Ein Hochgefühl, über uns ein wolkenloser Himmel, unter uns griffiger Belag, flüssig zu fahrende Kurven und der Blick schweift über die bewaldeten Hügel. Die Kurvenfolge wird schneller, die Kurven enger,

wir passieren Creglio und fahren zwischenzeitlich auf der SP25 über Susano zum ersten Highlight des Tages, nämlich die Abfahrt ins Tal der Reno (Bild aus Google Mapsgeschnitten). 

Eine lange Gerade läutet das Kehrenkarussell in dieses weite und offene Tal ein, das einlädt, den Blick weit und lang schweifen zu lassen, es sei denn vor einem fängt die nächste Kehre an. Ich schreibe über die ersten 15km mit Begeisterung, doch, wie üblich, man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben.
Wir queren den Fluss auf die SP24 und fahren da fort, wo wir aufgehört haben, mit Kehren. Zwar ist der Belag  hier nicht so gut, aber dafür verläuft die Straße in einer Wiesenlandschaft, die gute Sicht bietet und schnelle Fahrweise erlaubt. Betörend auch hier wieder der süße, schwere Duft des Stechginsters. In Grizzana verlassen wir die SP24 und bewegen uns zunächst auf einem Vizinalsträßchen neben bzw. unterhalb der Autostrada. Diesem Mini-Sträßchen bleiben wir treu, überqueren den Fluss, tunneln ein letztes Mal die Autostrada und lassen die Maschinen in Richtung Zaccanesca auf der SP79 rollen. Bis Piamaggio begleiten uns agrargenutzte Landschaften und sanfte Hügel, welche die SP60 lächelnd durchquert. Dann biegen wir auf die SP65 ein und nähern uns dem legendären Passo della Raticosa. In der Toscana gelegen, ist er Motorsportlern auf zwei und vier Rädern ein Begriff. So führt z. B. das Traditionsrennen „Mille Miglia“ seit ewigen Zeiten über die Passhöhe. Der danach folgende Streckenabschnitt, nämlich vom Raticosa zum Passo della Futa war extrem schön. Wir bleiben in der Hügellandschaft von Mugello, passieren Firenzuola, suchen und finden die SS67 und kurven über Passo della Paretaio und Passo della Peschiera nach San Benedetto di Alpe und weiter zum Passo del Muraglione. Eine überwältigende Strecke. Die SS67 vor und nach Muraglione ist ein einziges Kurven Paradies wie man es selten findet. Eigentlich geht es nie geradeaus. Dies nützen auch unsere heimischen italienischen Kollegen, was manchmal etwas grenzwertig scheint, aber am besten ist es mitzufahren. Gelingt eine Kurve nicht, kein Problem. Es warten noch gefühlte 1.000 andere Gelegenheiten, sie ideal zu nehmen. Die Straße läuft fantastisch, wenig Unterbrechungen durch Orte und Dörfchen. Zwar sind die Straßen klein und teilweise schmal, aber wenig Verkehr. Unterm Helm passte ich nur noch auf, dass ich nicht total dem enthusiastischen Kurvenkoller erliege.  Man kann mit ziemlicher Sicherheit nicht umständlicher von nördlich von Florenz nach Arezzo fahren, als wir es tun. Aber bestimmt auch nicht schöner. Wir haben heute noch lange nicht genug. Kurz vor Londa verlassen wir die SP67 und biegen rechts ab, denn nach dem Ort Londa kommen (wenn ich richtig gezählt habe) 16 Kurven/Kehren bis wir auf der anderen Seite am Arno ankommen, wo ein gemütliches Stückchen bis um Passo della Crocina (1.300 m) noch vor uns liegt.  Der Tag ist fast vollbracht, wir lassen es bis Arezzo ausrollen und freuen uns auf den Pool, den unser Hotel Agriturismo Borgo Nuovo Di Mulinelli, hoch über der Stadt gelegen, anpreist.  

Sagenhafter Ausblick auf Arezzo

Bild 1 von 4

Die Anfahrt zum Hotel wird mit einer „kurzen Schotterstraße“ beschrieben. Das ist stark untertrieben. 20% Steigung und mehrere S-förmige geschotterte Doppel-Kehren treiben nicht geübte Fahrer den Angstschweiß auf die Stirn. Wir fahren seit über 40 Jahren Motorrad und hatten u.a. schwere BMW Straßenmaschinen dabei. Die kochten, weil immer wieder der Schlupf durch den Schotter die Räder kurz durchdrehen ließ, auch bei sehr moderatem Gasgebrauch. Das erste Problem kommt direkt nach dem Abbiegen von der Hauptstraße, Schotter, eine steile Linkskehre, danach sofort eine Rechtskehre. Du siehst nichts und bei der extremen Steigung ist es einfach wichtig, möglichst nicht anzuhalten. Die Einfahrt zum Hotel liegt in einer scharfen Rechtskurve und genau hinter dem Kurvenscheitel, nach einer kurzen Geraden, steht man vor einem geschlossenen Tor und darf wieder einmal Steil-Anfahren mit vollbepackter Maschine üben. Das war Arbeit, aber die Fröhlichkeit und die Freundlichkeit der Mitarbeiter, die fantastische Aussicht und das leckere, lokale Abendessen bei Sonnenuntergang versöhnten uns schnell. Dummerweise schauten wir noch vor dem Essen das EM-Match England gegen Deutschland an. Nun sind wir keine Fußballertrainer, sondern Motorradfahrer, was uns aber doch zu der Überlegung hingerissen hat, ob wir während einer Tour bei einem bemerkbaren dauerhaft abnehmenden Druck im Reifen selbigen nicht mal flicken bzw. wechseln würden? Nun denn, lange saßen wir bei dem einen oder anderen Gläschen und ergötzten uns an den funkelnden Lichtern der Stadt tief unter uns.

Tag 5 Apennin Tour 2021. Von Arezzo nach Foligno. Besonderes Highlight Monte Santa Maria Tiberina. Fantastisch! 345 km bei 5,5 Stunden Fahrzeit, die wieder mehr schräg als aufrecht gefahren werden.

Die Katze verlangt einen Happen meines gemütlich italienischen Frühstücks auf der Terrasse des Agritourismo. Die Sonne scheint und die pure Freundlichkeit einer bedienenden Signora mit einer derart fröhlichen Ausstrahlung und diesen lachenden Augen lassen in dem kommenden Tag nur Gutes vermuten. Wir beginnen gemütlich die ersten rund 45 km auf der SS73 nach Monterchi, dann wird’s etwas spannender und ein nettes Kurvenpotpourri führt uns über die SP 103 (wieder ein so genanntes Vizinalsträßchen) nach Monte Santa Maria Tiberina.

Letzter Ausblick vor dem Abschied

Bild 8 von 8

Zugegeben, wir fahren deutlich mehr, als wir alte Steine, Kirchen und/oder Museen besuchen, aber dieser kleine Ort hat eine kurze Pause verdient.  Fabelhaft und auch noch leer. Die Busparkplätze lassen sonst wohl Schlimmes vermuten.
Wir bleiben anschließend noch etwas in der etruskischen Geschichte und nehmen die Straße nach Citta die Castello, welche auch ohne den malerischen Ort schon eine Reise wert ist. Niedriger Wald säumt die abwärts führende Straße und gibt immer wieder tolle Ausblicke ins Tibertal frei. In der Stadt queren wir den an dieser Stelle noch nicht wirklich beeindruckenden Tiber und genießen eine schwungvolle Ausfahrt auf die SP257. Nach der stickigen Luft in der Stadt genieße ich die wohltuende Luft des Berganstiegs, den Duft der hier noch einzeln stehenden Zypressen und vor allem die Kurven und den guten Belag. Kurz nach Apeccio verlassen wir die SP 257 und biegen rechts ab auf die SP28 in Richtung Pianello. Und wieder geht’s abwärts und wieder diese sagenhaften Kurven, wenngleich auf diesem Streckenabschnitt die „B-Note“ für die Straßenqualität etwas zurückbleiben muss. Dafür entschädigt der Blick in die Hügellandschaft, die sich bis zum Horizont erstreckt. Der Laubmischwald hat keinen hohen Wuchs und ist licht, so dass ein durchaus leichter und harmonischer Eindruck entsteht.  In Pianello rechts ab auf die SP29, die dann in die SP201 mündet und uns sehr abwechslungsreich nach Pietralunga führt. Ich kann ja nicht nur die ganze Zeit schreiben, dass diese Kurvensträßchen klasse sind, aber es ist nun mal so. Bikerherzen ticken halt im Kurventakt.

Kürvchen folgt auf Kürvchen
und das in traumhafter Landschaft

Vor Gubio links ab auf die  SS452 (Achtung nicht auf die SR298, die parallel verläuft, dann versäumt ihr jedoch den Scheggia Pass), die uns wieder in das Grenzgebiet zwischen Umbrien und Marken führt. Bei Pontericcioli rechts auf die SS3. Der weitere Ride lässt die Maschinen durch sehenswerte Kurvenkombinationen zum Passo della Scheggia düsen, danach ein Päuschen. Und flugs geht’s wieder auf die Strecke.  Wir fahren am Monte Testagrossa (nicht zu verwechseln mit dem Monte Testoserosa – das ist etwas völlig anderes) vorbei und über Siglio nach Fossato di Vico und ein Blick auf bzw. in „le Rughe“, italienisch für „Falten“, die mit ihren mit Rundsteingewölben überdeckten Gassen einen tollen Anblick bieten.

Fossato di Vico – Le Rughe

Links ab auf die SS76, die uns schnell und gemütlich in ein Dörfchen namens Borgo-Tufico führt, wo die „Kaffeefahrt“ endet und der Spaß wieder beginnt. Die SP14 wartet auf uns. Offizielle Beschreibung: „Eine fast stillgelegte Straße, die von denjenigen gemacht wurde, die natürliche Landschaften und Gebiete ohne Verkehr sehen wollen“. Wow – 15 Kehren erwarten uns, zwar mit einer Straßenqualität, die eben einer stillgelegten Straße entspricht, aber trotzdem erste Sahne. Durch den Wald steigt die Straße auf die Hochfläche, die wir später, rechts abbiegend, in das Naturreservat „Naturale del Monte San Vicino“ verlassen. Wir müssen nur ein kurzes Stück auf der SS256, einer der Hauptstraßen fahren, um auf die SP71 und dann auf die SP361 zu kommen, die uns in gewohnter Kurvenvielfalt nach Nocera Umbra bringt. Über die SP3 fahren wir zu unserem letzten Sahnestückchen heute. Die SP249, ein herzallerliebstes Sträßchen weist uns den Weg nach Collepino und von dort aus ist es nur noch ein Katzensprung nach Foligno, wo wir im Hotel Delfina Palace nächtigen. Ein kleiner Tipp sei uns an dieser Stelle für gastgebende Hotels gestattet: Wenn man die Motorräder an der Seite des Hoteleingangs parkt und absteigt, um einzuchecken, wird der positive erste optische Eindruck etwas getrübt, wenn die Rezeptionistin die Tür öffnet und schlichtweg ruft: „Hier könnt ihr nicht parken!“ Ein einfaches „Willkommen“ hätte uns fürs erste auch genügt. Dann aber ein erfrischendes Bad im Pool, zwei kühle Bier und am Abend ein leckeres Essen auf der Terrasse.

Tag 6 Apennin Tour 2021. Von Foligno mit Hilfe einer gedachten Acht zurück und weiter nach Perugia. Absolutes Highligt „Piano Grande“, das Blumenmeer im Apennin. 340 km 6,5 Stunden Fahrt.

Und schon wieder so ein Super-Morgen. Gegen 09.00 Uhr haben wir bereits 24 Grad. Die Peds konnten sich über Nacht im Schatten der Bäume ausruhen und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie genauso ganz wild auf’s Weiterfahren sind wie wir. Also rauf auf’s Bike und erst mal Landstraße bis nach Spoleto. Hier beginnt der spannende Teil unserer Tour, die heute wie eine Acht verläuft und gleich zu Beginn den Forca di Cerro serviert. Gott sei Dank haben wir schon Juli, denn „im Mai fanden die Runden 2 und 3 der Civs, Italian Hill Climb Championship auf der schnellen Umbro-Strecke „Spoleto – Forca di Cerro“ statt, die auch für die European Hill Climb Championship gültig ist.“ Mehr braucht man über diesen Abschnitt nicht zu sagen, einfach super. Nach Visso, verlassen wir die SP209 und tauchen nach Castelsantangelo sul Nera ein in das Kurvenparadies der SP134. Nachdem die Strecke bis Visso eher bewaldet und lieblich war, wird die Landschaft jetzt rauher. Die Strasse verläuft, oft durch bewaldete Gebiete und bietet immer wieder eine fantastische Aussicht auf die Berge des Apennin. zum Forca di Gualdo. Die dahinter liegende, fantastische und irre schöne Hocheben lockt viele Besucher und so war der Pass etwas voll.

Dem Tag entgegen

Bild 1 von 5

Vor allem stand mitten auf der Straße eines dieser Riesentrümmer von Reisebus und im Moment gab es für den weder ein vor noch ein zurück. Nun, ich wollte mal wieder clever sein und dachte, dass zwischen Lieferwagen, PKW und Bus eine GS durchaus noch durchpasst. Das war auch richtig, aber, so in etwa auf der Hälfte des Busses bog die Straße nach links ab, was ich überhaupt nicht gesehen hatte und so landete ich sozusagen im Hinterhof eines Imbiß.  Vorsichtiges Wenden, was nichts nutze, denn zwischenzeitlich war die Lücke zwischen PKW und Bus schlichtweg zu. Der Busfahrer gestikulierte wild, um mir zu verstehen zu geben, „hier geht im Moment gar nichts“. Ich meinerseits verhielt mich einfach gelassen, zeigte ihm, dass es nun mal so ist, dass ich mich auch nicht auf- oder errege, sondern gerne warte bis sich sein Bus irgendwie wieder bewegt. Dazu ein hoher Daumen und siehe da, ein Lächeln überzog sein Gesicht, er antwortete ebenfalls mit einem Daumen hoch, schob den Rückwärtsgang ein, hupte laut und setzte vorsichtig zurück. Geht doch, ein wenig Verständnis, ein wenig Rücksicht, ein wenig Abrücken vom Ego und schon helfen sich Menschen gerne gegenseitig. Von der Passhöhe geht die Strecke über offene Felder in Richtung Castelluccio und bietet ein spektakuläres Panorama, als wir uns dem „Piano Grande“ nähern. Ein unvorstellbares wogendes Mehr aus roten und blauen Blumen, umgeben von der hohen Kette der Sibillinischen Berge. Wow!

Piano Grande

Kurvenreich lassen wir den Maschinen  abwärts in Richtung Arquata del Tronto ihren Lauf. Die Anblicke links und rechts der Straße kurz vor und in dem Städtchen sind schaurig. Hier hat das Erdbeben 2016 die schwersten Schäden angerichtet und sehr vieles davon ist heute noch sichtbar. Wir fragen uns, ob die provisorischen kleinen Fertighäuschen für die Bewohner jemals wieder weichen werden. Wenn wir allerdings sehen, wie diese bereits herausgeputzt und die Mini-Gärtchen gepflegt sind, haben wir so unsere Zweifel. Wir biegen auf die SS685 ein, die zum einen optimal ausgebaut ist und zum anderen über einen langen Tunnel nach Norcia führt. Allerdings mögen wir keine Tunnel und mit dem Forca Canapine steht uns ein Pässchen als Alternative zur Verfügung, dessen Anfahrt höchst gelobt wird. Beim planen stieß ich auf ein kleines Problem, weil weder Garmin noch Google dieses Sträßchen akzeptieren wollten. Also rein in die OSM Karte und dort ist die Straße tatsächlich gesperrt. Dann nach einem Grund dafür googeln und siehe da, das Erdbeben, aber das war ja 2016 und ich fand auch einen Artikel einer Lokalzeitung aus 2019, dass die Bauarbeiten abgeschlossen seien. Papperlapapp, als wir von der SS685 abbiegen ist die Straße offen und ich recke triumphierend den Daumen für die Mitfahrer*innen nach oben, um blitzschnell die Hand wieder an den Lenker zu nehmen, scharf zu bremsen, um vor der hinter der Kurve aufgebauten Sperrung zum Stehen zu kommen. Mist!, Also doch Tunnel, hilft nichts. Ab Norcia dann stramm südwärts.

Abschied von der Sibillinischen Hochebene

Bild 1 von 7

Auf der SS 209 bis Fontechiaruccia, hier scharf rechts auf die SP4, um anschließend, wieder rechts auf die SS3 und weiter zum Valico della Somma. In Richtung Passhöhe ist es eine typische Verbindungsstrecke im Apennin mit einem Wechsel von langen Geraden und langgezogenen Kurven. Nach der Passhöhe starkes Gefälle und Kehren. Es läuft wie geschmiert und die beiden Blitzer erkennen wir frühzeitig. Die Strecke durch bewaldete Gebiete danach über offene Felder bis Spoleto. Es geht nicht anders, zumindest wenn man eine Acht fahren will, wir müssen bis Foligno zurück und nach Foligno führt uns die SS75 nach Perugia.
Rosa’s Abneigung gegen sterile Hotelrestaurants beschert uns einen Abendspaziergang der besonderen Art. Unser Hotel liegt unten, Perugia oben und zwischendrin gefühlte 724 Stufen. Ermattet, diesmal jedoch vom Laufen und nicht vom Fahren genießen wir in einem tatsächlich kleinen und besonderen Lokal unser Abendessen. Die Speisekarte wird gerade auf eine Tafel geschrieben, Steff, unser Polyglott übersetzt eifrig und später belebt eine Familienfeier den Lokalgarten. Anschließend noch ein Besuch der abendlichen Altstadt von Perugia, wo wir wieder einmal auf die ganze und ansteckende Lebensfreude Italiens stoßen. Super Abend, super Tag.

Ein besonderes loakels Restaurant

Bild 1 von 7

Tag 7 Apennin Tour 2021. Von Perugia nach Sestola. Alle kunstbeflissenen werden uns deutlich kritisieren, dass wir sowohl Siena, als auch Poggibonis links bzw. rechts haben liegen lassen, aber wir kennen diese Städte bereits.
367 km 5,45 Stunden Fahrzeit

Heute heißt es wieder einmal „Strecke machen“. In Perugia auf die SS715, einer autobahnähnlich ausgebauten Schnellstraße und dann durchziehen bis Siena, weiter auf der RA3 an Poggibonsi vorbei bis Case Nuove. Danach ist aber auch Schluss mit der Aufwachphase. Über die SP35 und SP55 tauchen wir ein in die umbrischen Wälder und fahren über den Passo del Trebbio (na ja eher ein Hügelchen) aber dafür kurvenreich. Kurz vor Bagni di Lucca verlassen wir in einer bemerkenswerten Kurvenkombination den Wald, überqueren den Fluss Lima und schlängeln uns in deren Tal entlang (SP18). Irgendwann hat die Lima von uns genug und ergießt sich in den Serchio, von dem wir dann auch irgendwann genug haben (erst SR 445 dann SP20) und wir biegen in Gallicano links ab auf die SP43, da wir uns doch schon an die waldreichen Kurven gewöhnt haben.

Erst gehört die breite Straße uns allein
dann dem Wald, der uns nur duldet

Nach Castelnuovo di Garfagnana wechseln wir auf die SP72, die eingebettet ist in jahrhundertealte Buchenwälder und ein kontinuierliches Auf und Ab bietet, das gekrönt wird durch Dutzende von Kurven. Rechts ab auf die SP324 überqueren wir den Passo die Lagadello, bleiben oben und kommen auf der Passhöhe des Passo delle Radici auf 1.500 m an. Und abwärts geht’s aber nur kurz, dann links ab auf die SP468, um wieder ein Kurvenhatz durch den Wald zu fahren. Wir landen auf dem Passo Cento Croci. Die Nordrampe ist kurz, aber sehr gut ausgebaut bis zur 1055 Meter hohen Passhöhe. Tolle Ausblicke gibt es auch noch im oberen Teil der Südrampe, der zudem den Übergang von der Emilia-Romagna nach Ligurien einleitet. Wir verlassen die Wälder und kommen durch eine landwirtschaftlich genutzte Ebene, tangieren nochmals etwas Wald und lassen es in den langen Kurven bis nach Sestola, das am Berghang liegt, ausrollen. Ein etwas in die Jahre gekommenes Hotel erwartet uns, aber die Küche ist klasse und wir lassen den Abend mit einem Spaziergang und einem Absacker durchs Dorf ausklingen.

Weiter Ausblick ins Land

Bild 1 von 6

Tag 8 Apennin Tour 2021. Hier nur der erste Teil, denn die Autostrada zwischen Sassuolo und Brescia erspare ich euch. Die ersten 14 Kehren erkennt ihr auf der Karte. Beginn und Ende der Tagesetappe erfordern Zeit.

Tag 8 Apennin Tour 2021. Und hier das Tagesende, mit der ganz starken Passage bei Brione, (Fahrerfahrung nicht hinderlich). Gesamt 310 km und 4,5 Studnen Fharzeit.

Und noch so ein „Strecke-Mach-Tag“ erwartet uns, jedoch untermalt mit einem Top Beginn und mit einem spektakulären Ende. Der Reihe nach. Da wir die Po-Ebene überwinden müssen, was wir schlichtweg am besten über die A1 bewerkstelligen müssen, dachte ich, dass es ein guter Gedanke ist, zuvor durch so viele Kurven zu schwingen, dass alle Gott froh sind, später Autobahn fahren zu dürfen. Von Sestola aus brechen wir nach Castellaro auf, folgen der SP 30 die uns nach Casine und weiter in 14 wundervollen Kehren nach Renno führt.

Kurven und Kehren am Morgen…
vertreiben Kummer und Sorgen

Entweder sind wir nach diesen ersten 25 km wach oder es liegt einer im Graben. Weiter über die SP12 über Pavullo nel Frigano hinaus bis nach Malandrone-Sassatello, wo wir auf die SP21 links abbiegen. Später rechts auf die SP19, die sich wieder an einer Bergflanke entlanghangelt und nach etlichen Kehren und nicht weniger Radfahrern im Tal der Secchia in Sassuolo ausläuft. Bei Modena dann Einbiegen auf die A1 und dann 180 km an Cremona vorbei nach Brescia. Bei Brescia Süd kurz raus und Päuschen. Auf der Karte habe ich gesehen, dass es einen „Lago Canada“ gibt, samt dazugehöriger Trattoria. Hört sich gut an und stellt sich in der Realität als ein alter Baggersee dar, die daneben liegende Trattoria landestypisch und rustikal gut. Jetzt warten nur noch ein paar Kilometer auf uns, aber die haben es in sich. Wir verlassen Brescia auf der SP10 in Richtung Brione. Nach Caricatore laden die ersten Kehren zum Kennenlernen dessen ein, was noch folgt. Wir klettern nach Gusago mal kurz 300 Höhenmeter und durch sehr feine links-rechts-links-rechts Kehren-Kombinationen bis Brione und weiter hoch zum Passo die Tre Termini. Jetzt ist es gut. Langsam ausrollen lassen bis zum Hotel I due Roccoli, das hoch über dem Iseo See liegt und uns neben einem herrlichen Ausblick einen netten Abend beschert.

In Sestola machen uns Umleitungen zu schaffen

Bild 1 von 6

Tag 9 Apennin Tour 2021. Vom Iseo See nach Lenzerheide. Eigentlich ganz simpel, einfach geradeaus nach Norden, wobei wir es nicht lassen konnten, einige Kürvchen und Pässe einzubauen. Insgesamt nur 300 km und trotzdem 6,5 Stunden Fahrzeit

Des nachts einmal ein starkes Regenrauschen gehört und daher strahlt der Himmel morgens wie frisch gewaschen. Die Peds müssen etwas trockengerieben werden und dann rauf auf’s Bike und die ersten Kurven zum Iseo See genießen. Unten angekommen ist es mit dem Genuss erst mal vorbei. Wir müssen ein klein wenig am See entlang, um die Südspitze zu umrunden und dann in die Berge zu kommen. Nun, es ist Sonntagmorgen und entsprechend viele Radfahrer, Jogger, Brötchenholer und Parkplatzsuchende wollen alles das Gleiche: Vorwärtskommen.  Der Morgen ist viel zu schön, um nicht gelassen zu bleiben und schließlich sind wir durch und wenden uns auf die SP79. Zunächst schlängelt sie sich durch kleine Dörfchen am Berg entlang und gibt hie und da einen fantastischen Blick auf den Iseosee preis. Nach Adrara San Rocco beginnt die Kurvenhatz. Ein starker Beginn Es geht auf 1.300 m hoch durch die erste Kehrenlandschaft zum Colle San Fermo, der eigentlich alles, bietet, was ein Bikerherz begehrt: eine kehrenreiche Anfahrt, Panorama und einen kleinen See.  Und weil es hoch so schön war, fahren wir auch gleich wieder runter. Zwischendurch verhaspelt sich das Navi total und schlussendlich landen wir im Labyrinth kleinster Straßen in einem Dorf im Nirgendwo. Ein überaus netter Italiener erkennt unsere Lage, versteht, wo wir hinwollen und fordert uns auf ihm zu folgen. Es folgt einer der tatsächlich hoch interessanten Tourabschnitte, denn diese hautengen, steilen Gässchen quer durchs Dorf und zurück zu einer Straße (es war dann tatsächlich auch die richtige) hätten wir a) nie gefunden und wären sie b) nie gefahren.

Der Iseo See kurz nach Abfahrt am Hotel

Bild 1 von 4

Wieder im Tal biegen wir über die SP 42 auf die SP 39 ab in Richtung Gaverina Terme. Kurz danach beginnt dann der Kurvenspass hoch hinauf zum Colle del Gallo. Sicher ist es nach all dem bisher Geschriebenen niemand verborgen geblieben, dass wir viel übrig haben für „Auf-Ab-Konstellationen“ mit vielen Kurven. Also, oben angekomme, wieder hinab ins Serio-Tal, anschließend rechts ab auf die SS671 wo wir einige Kilometer zwar auf einer Top Straße, jedoch durch dicht bebautes Gebiet fahren müssen.

Dann wendet sich unser Weg auf die SP41 ins bergige Landesinnere und die Ortsdurchfahrten werden deutlich schmäler, ganz dicht an die Laubwälder heran führt die Straße, um kurz davor in einer Linkskehre nochmals einen Schwenk zu machen. Dann liegt links von einem das Tal und gegenüberliegend wieder die bewaldeten Bergspitzen. Später lichtet sich der Laubwald und üppiges Buschwerk nimmt die Straße in tollen Kehren auf. Jetzt sind wir raus aus dem Wald und die Sonne und leuchtend grüne Wiesen leuchten uns entgegen. Wir bleiben auf der SP 41, fahren durch Orezzo und schlängeln uns zum Passo Ganda (ein Leichtgewicht) und legen bei der Einmündung auf die SP31 ein Päuschen ein. Von der Terrasse des Restaurants aus haben wir einen fantastischen Blick hinunter ins Tal und sehen, wenngleich nicht mit großer Freude, wie die Regenwolken hoch ziehen. Nun, nach 8 Tagen grandiosem Sonnenschein und bestem Wetter sollte man nicht meckern. Nach dem Essen, sozusagen zum Nachtisch, gibt’s Regenkleidung, bzw. ziehe ich meine Radlerregenhose und das Inlet der Textiljacke drüber und weiter geht’s auf der SP31 weiter bis Serina.

Auch das gehört dazu
unten „hinten“ komt’s immer hell

Der Regengott hat ein gewisses Einsehen und nach einigen heftigen Platschern winkt uns immer wieder mal die Sonne zu und gönnt uns trockene Passagen. Es ist ja nicht kalt und daher alles nicht tragisch. Nach Serina wird die Straße dann wieder heftiger. Wir befinden uns auf der SP26 mit tollen Panoramablicken, zumindest da, wo die Wolken es erlauben und kraxeln hoch zum Passo della Crocetta und bei Antea kommen wir dann nach ein paar netten Kehren wieder auf etwas breitere Straßen. Bis Mezoldo nehmen wir die SP 1 und dann weiter auf der SP 8 nach Morbend, wobei es teuflisch schade wäre, die Abzweigung in Mezoldo zu verpassen denn es folgt noch mal so ein Wow-Abschnitt. Ein Vizinalsträßchen, das zunächst den Eindruck einer kleinen Dorfstraße in den Bergen macht, wie sie in allen Alpenländern zu finden ist. Langsam schraubt sie sich am Berg entlang zum Passo S. Marco hoch  und gewährt schöne Blicke auf die Berge der Lombardei. Immer mehr Tannen mischen sich unter die Laubbäume und so langsam wechselt der Bewuchs und damit auch der Geruch. Durch optimale Straßenqualität zeichnet sich die SP8 nicht aus, aber durch Kurven und Kehren in dieser herrlichen Umgebung wird sie zum Genuss. Auf halber Höhe erwartet uns ein Hochtal mit weiten grünen Wiesen, immer wieder unterbrochen von dunklen Inseln aus Tannenbäumen. Die Wiesenlandschaft bietet viel Überblick und lädt zum schnellen Fahren ein. Und weiter geht’s nach oben, bis wir die Bäume hinter uns lassen und nur noch Almwiesen und unglaubliche Ausblicke haben.

Blick auf die Berge der Lombardei

Nicht weniger schwungvoll führt uns die Straße nach Morbend hinab, wo wir auf der SS36, am Lago di Mezzola vorbei nach Chiavenna die Regeneigenschaften unserer Peds nochmals testen können. In Anbetracht des Wetters entscheiden wir uns nicht über den Splügen, sondern über den Majola und Silvaplana nach Lenzerheide zu fahren.

Majolapass (Bild stammt aus meinem Bericht „Pässe satt“)

Das Besondere an diesem Alpenpass ist, dass er auf seiner Nordseite sehr flach ist, nach Süden hingegen aber steil und abrupt ins Bergell abfällt. Auf unsere Strecke steigt der Passweg auf 32 km um 1482 m an. Von der quirligen Lebendigkeit Chiavennas führt die Strecke in gut ausgebauten Serpentinen bergauf und schwingt in weiten Bögen durch einsam gelegene Bergdörfer. Da läuft’s. Auf den nächsten 49 km nach Zernez beträgt der Höhenunterschied dagegen nur 343 m. Dann heißt es ausrollen lassen bis Lenzerheide, wo wir in einem guten Hotel untergebracht sind. Das gute an einem Skihotel ist, sie haben Trockenräume, also Klamotten rein und nach dem Duschen ein gutes Bier genießen. Den Abend lassen wir mit einem leckeren Essen und Wein ausklingen, denn es ist unser letzter gemeinsamer Abend. Von Lenzerheide aus fahren zwei noch ein paar Tage durch die Schweiz, einer nach Ravensburg, einer nach Stuttgart, einer nach Hamburg und last but not least, ich nach München. Ach ja, Hotel und Essen waren einfach sauteuer (wieder Entschuldigung) aber auf der anderen Seite muss man den Schweizern schon attestieren: Sie können’s, alles war fabelhaft.

Während meiner Fahrt nach München über den Albuapass (erste Sahne), die super ausgebaute Straße nach Zernez und die anschließende 28 über den Reschen nach Nauders und weiter nach Seefeld, habe ich genügend Zeit über unsere super Tour und die tollen Tage, die ich mit Freunden verbringen konnte, nachzudenken und die Freude in mir wird noch lange anhalten.

Zurück

Pässe satt, August 2020

Nächster Beitrag

Albanien-Bulgarien-Balkan 2021

  1. Peter

    Danke Klaus. Du hast unsere diesjährige Tour super beschrieben. Eine schöne und wertvolle Erinnerung und als „Ersatz“ für Norwegen war dieses Italien absolut tauglich, wenn mir auch die Hälfte an Temperaturen genügt hätten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén